Schilfs Reiseseite

Berichte von Reisen

zu Wasser, zu Lande und in der Luft

20.03.03

Heute ist es soweit! Wir werden die Alhambra besuchen. Und wir haben Glück! Die Sonne strahlt vom Himmel. Nach dem Frühstück geht es mit einem Kleinbus hinauf zu diesem imposanten Bauwerk. Wir haben allerdings nicht bedacht, dass unsere Tickets nur für den Nachmittag gelten. So schnuppern wir erst einmal ein wenig Atmosphäre, trinken einen Kaffee und begeben uns wieder in das Stadtzentrum.
Die Grabkapelle der Katholischen Könige haben wir noch nicht gesehen. Das holen wir jetzt nach. Diese Capilla Real wurde von 1505-1521 auf Anordnung der Königin Isabella im spätgotischen Stil unter der Leitung von Enrique de Egas an die Südseite der Kathedrale angebaut.
Die relativ schmale Kapelle ist in zwei Teile gegliedert. Man betritt zunächst einen Vorraum mit einer großen Kopie des Historienbildes “Übergabe von Granada” von Carbonero. Das schönste vergoldete Gitter ganz Spaniens trennt diesen Raum von der eigentlichen Grabkapelle ab. Dort kann man einige Stufen abwärts zur Krypta gehen, wo in einfachen Bleisärgen die sterblichen Überreste der Katholischen Könige liegen.
Jetzt haben wir aber genug von Leichen, und es geht zurück zur Alhambra.
Wir müssen nicht lange warten am Eingang, da wir ja unsere Tickets haben. Allerdings schauen wir zunächst nicht nach links und nach rechts, denn Einlass in den Nasridenpalast ist nur von 14.30 Uhr bis 15.00 Uhr. Die Schönheit lässt sich nur von innen entdecken, denn ein Charakteristikum der islamischen Architektur ist, dass die Außenmauern betont schlicht gehalten sind. Wir sind überwältigt. Man hat das Gefühl, alles ist in der Schwebe. Die Last der Gewölbe ruht auf grazilen Mauern. Perspektivische Fluchten zeichnen sanfte Übergänge von Licht und Schatten.
In den drei Palästen wiederholt sich das Leitmotiv der arabischen Architektur: ein zentraler Innenhof unter freiem Himmel, eine offene Galerie rundum und dahinter die verschiedenen Räume.
Zuerst gelangt man in den Mexuar, der am meisten unter der christlichen Eroberung und den daraus resultierenden Veränderungen gelitten hat.
Das Herz des Palastes ist der anstoßende Patio de los Arrayanes oder auch Myrtenhof. Über der Eingangspforte findet man das Versprechen: “Ich gleiche einer Krone und meine Tür ist ein Scheideweg. Wegen mir beneidet der Orient den Okzident.” Die Kulisse ist von perfekter Harmonie. Im mittigen Zierbecken spiegeln sich die schlanken Säulen der Arkaden. Etwas zurückversetzt findet man den Comares-Turm, der den Thron- oder Botschaftersaal beherbergt. Dieser fast 20 Meter hohe Saal zeigt eine ungeheure Prachtentfaltung.
Das Highlight der Alhambra ist zweifellos der an den Myrtenhof angrenzende Löwenhof mit seinen umliegenden Sälen. Er wurde als Privatresidenz von Mohammed V. erbaut. 124 Säulen umrahmen diesen Prunkhof. In der Mitte steht der Brunnen, der dem Palast seinen Namen gab: Eine wirkliche Oase aus Stein. Jedes Element hat hier seine Symbolik. Ein Garten mit vier Flüssen stellt das koranische Bild vom Paradies dar. Die zwölf Löwen, auf denen eine Marmorschale ruht, verweisen auf die 12 Sternzeichen und den ewigen Kreislauf der Gestirne. Aus ihrer Mitte entspringt der Quell des Lebens, die schöpferische Kraft des Wassers. Das arithmetische Mittel aus 124 Säulen ergiebt die Sieben, den Tag der Vollendung der Schöpfung.
Wir können uns gar nicht losreißen von diesem herrlichen Anblick und verbringen eine lange Zeit in diesen Gemächern und Höfen.
Doch nun wird es Zeit auch die anderen “Schätze” der Alhambra zu besichtigen. Zunächst geht es auf die zinnengekrönten Mauern und Wehrtürme der Alcazaba. Die Torre de la Vela, die nach Westen zeigt, wird von uns bestiegen. Man schwebt buchstäblich über den Dächern der Stadt und hat nach rechts eine herrliche Aussicht über das Albaicín-Viertel mit dem darüber liegenden Sacromonte mit den Zigeunerhöhlen. Zur Linken erheben sich die verschneiten Gipfel der Sierra Nevada.
Aber auch hier müssen wir uns lösen und besichtigen als nächstes den Renaissance-Palast Karls V. Ein größerer Gegensatz zum Nasriden-Palast ist kaum denkbar: Hier die zielstrebige Strenge einer aufstrebenden Weltmacht, dort die schwerelose Traumwelt der orientalischen Kultur.